Geplante Änderung der arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen für freie Dienstnehmer:innen
Am 24. September 2025 wurde ein Gesetzesentwurf zur Änderung der arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen für freie Dienstnehmer:innen als Regierungsvorlage (RV 212 BlgNR 28. GP) im Nationalrat eingebracht. Derzeit ist der Entwurf dem Ausschuss für Arbeit und Soziales im Nationalrat zur Beratung zugewiesen. Die wichtigsten geplanten Änderungen dieser Novelle haben wir im vorliegenden Blogbeitrag näher für Sie dargestellt.
Kündigungsregelungen
Vor der (weitgehenden) Angleichung der Kündigungsbestimmungen im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) für Arbeiter:innen an jene von Angestellten im Jahr 2021 wurde einhellig in Lehre und Rechtsprechung vertreten, dass die Kündigungsregelungen des § 1159 ABGB analog auch für die Kündigung freier Dienstverhältnisse heranzuziehen sind, da eine eigene gesetzliche Regelung für diese Vertragsverhältnisse bislang fehlt(e).
Nachdem die Kündigungsbestimmungen des § 1159 ABGB jedoch weitgehend an jene des § 20 Angestelltengesetz angeglichen wurden, hat der Oberste Gerichtshof (OGH) Anfang des Jahres klargestellt, dass die neuen gesetzlichen Regelungen nicht analog für freie Dienstverhältnisse herangezogen werden können (OGH 8 ObS 4/24g).
Aus diesem Grund sollen mit der nunmehr im Nationalrat eingebrachten Novelle erstmals ab 1. Jänner 2026 gesetzliche Kündigungsfristen für freie Dienstverträge in § 1159 Abs. 6 ABGB geregelt werden.
Konkret soll für beide Vertragsparteien im ersten Dienstjahr eine Kündigungsfrist von vier Wochen gelten. Diese soll sich nach dem vollendeten zweiten Dienstjahr auf sechs Wochen erhöhen. Als Kündigungstermine sieht der Gesetzesentwurf den 15. und den Letzten eines jeden Monats vor. Eine Gleichstellung mit den Kündigungsregelungen für echte Arbeitnehmer:innen erfolgt somit nicht.
Abweichungen von diesen Kündigungsbestimmungen sollen künftig nur mehr zu Gunsten freier Dienstnehmer:innen zulässig sein. Abweichende Vereinbarungen in vor dem 1. Jänner 2026 abgeschlossenen freien Dienstverträgen sollen allerdings nach den Übergangsbestimmungen weiterhin aufrecht bleiben.
Zusätzlich soll im ersten Monat eine Probezeit vereinbart werden können, während der der freie Dienstvertrag ohne Einhaltung von Fristen und ohne Angabe von Gründen mit sofortiger Wirkung aufgelöst werden kann.
Kollektivverträge für freie Dienstnehmer:innen nach § 4 Abs. 4 ASVG
Während die neuen Kündigungsbestimmungen für sämtliche freien Dienstverträge zur Anwendung kommen sollen, beziehen sich die sonstigen Bestimmungen der Novelle lediglich auf freie Dienstnehmer:innen nach § 4 Abs. 4 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG).
Von § 4 Abs. 4 ASVG sind sogenannte „arbeitnehmerähnliche“ freie Dienstnehmer erfasst, die – kurz zusammengefasst – ihre Dienstleistungen im Wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen.
Diese Gruppe freier Dienstnehmer:innen ist den echten Dienstnehmer:innen in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht bereits jetzt weitgehend gleichgestellt: Sie unterliegen der Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung, dem Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, dem Insolvenzentgeltsicherungsgesetz und sie sind Arbeiterkammer zugehörig.
Zudem muss für diese Personengruppe u.a. bereits jetzt ein Dienstzettel ausgestellt werden und sind sie auch von den Beschäftigungsverboten nach dem Mutterschutzgesetz erfasst.
Der Gesetzesentwurf geht für freie Dienstnehmer:innen nach § 4 Abs. 4 ASVG nunmehr noch einen Schritt weiter und sieht vor, dass sie ab 1. Jänner 2026 in den Anwendungsbereich von Kollektivverträgen aufgenommen werden können sollen. Die Einbeziehung erfolgt dabei konkret in den Anwendungsbereich der ersten drei Hauptstücke des I. Teils des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG). Keine Einbeziehung soll hingegen insbesondere für den Geltungsbereich von Betriebsvereinbarungen nach dem 5. Hauptstück des I. Teils erfolgen.
Kollektivvertragsparteien sollen damit die Möglichkeit erhalten, für diese Gruppe von freien Dienstnehmer:innen entweder eigene Kollektivverträge abzuschließen oder diese ausdrücklich in bestehende Kollektivverträge einzubeziehen. Eine automatische Erweiterung bestehender Kollektivverträge ist jedoch nicht vorgesehen.
Zu beachten ist dabei, dass ein Großteil der arbeitsrechtlichen Gesetze nicht auf freie Dienstnehmer:innen anwendbar ist und daher ein bloßer Verweis z.B. auf Regelungen aus dem Urlaubsgesetz oder Arbeitszeitgesetz in einem Kollektivvertrag nach den Gesetzesmaterialien nicht zur Anwendbarkeit der Bestimmung für freie Dienstnehmer:innen führen kann. Allerdings steht es den Kollektivvertragsparteien frei, entsprechend nachgebildete Bestimmungen in den Kollektivvertrag aufzunehmen.
Ein Kollektivvertrag, der ursprünglich für echte Arbeitsverhältnisse abgeschlossen wurde, soll für freie Dienstnehmer:innen zudem nur hinsichtlich der Mindestentgelte und Mindestbeträge für den Ersatz von Auslagen gesatzt werden können.
Fazit und Ausblick
Kurz zusammengefasst, soll der Gesetzesentwurf somit neben Rechtssicherheit in Bezug auf die Kündigungsmöglichkeiten freier Dienstverträge auch die rechtliche Stellung freier Dienstnehmer:innen nach § 4 Abs 4 ASVG verbessern und für sie die Möglichkeit schaffen, in Zukunft auch von kollektivvertraglichen Mindeststandards zu profitieren, welche die Beschäftigung auf Basis solcher Vertragsverhältnisse und somit die Umgehung arbeitsrechtlicher Bestimmungen weniger attraktiv machen.
Allerdings sind auch die freien Dienstnehmer:innen nach § 4 Abs 4 ASVG weiterhin in weiten Bereichen des Individual- als auch des Kollektivarbeitsrechts nicht den echten Dienstnehmer:innen gleichgestellt, die insbesondere dem Schutz der echten Dienstnehmer:innen dienen (Entgeltfortzahlung, Urlaub, Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, Betriebsverfassung, allgemeiner und besonderer Kündigungsschutz, etc.).
Die tatsächlichen Auswirkungen der geplanten Novelle für die Praxis werden insbesondere davon abhängen, ob die zuständigen Kollektivvertragsparteien tatsächlich entsprechende Kollektivverträge für die Personengruppe der freien Dienstnehmer:innen nach § 4 Abs. 4 ASVG abschließen.
Für die Unterscheidung der Vertragstypen Werkvertrag / freier Dienstvertrag / echter Dienstvertrag bietet die Novelle leider keine Konkretisierung der Merkmale des jeweiligen Vertragstyps. Es bleibt bei der Einzelfallbeurteilung anhand des „beweglichen Systems“ und dem möglichen Risiko einer unrichtigen Vertragswahl.
Gerne unterstützen wir Sie – gemeinsam mit unseren PwC Workforce Tax Consulting Kolleg:innen – bei der rechtssicheren Ausgestaltung der Zusammenarbeit mit freien Dienstnehmer:innen.